Zielsetzung aus Sicht eines Triathlon-Trainers
Es gibt kaum etwas, was uns mehr motivieren kann als ein festes Ziel. Gerade jetzt im Herbst ist es wichtig oder zumindest ratsam, ein Ziel für 2024 festzulegen. Natürlich ist es auch völlig legitim, ohne ein Ziel zu trainieren und einfach die Bewegung und den Lebensstil zu genießen, um dann impulsiv zu trainieren. Das ist jedoch ein anderes Thema.
Über Ziele wird viel diskutiert, und kaum jemand, der schon einmal an einem Business-Seminar teilgenommen hat, kennt nicht die SMART-Definition. Ein Ziel sollte spezifisch, messbar, akzeptiert, relevant und zeitgebunden sein (das letzte „T“ kommt aus das englische Time-bound).
Grundsätzlich ist das ein sehr nützliches Konzept, aber im Triathlon ist es oft schwer umzusetzen. Bevor ich fortfahre, sollte erwähnt werden, dass es unterschiedliche Arten von Zielen für uns Triathleten gibt. Eines ist leistungsbezogen, das andere erfolgsbezogen. Leistungsziele können wir kontrollieren, hier entscheiden wir, was wir tun. Erfolgsziele sind das Ergebnis unserer Leistung. Hier beeinflussen auch andere Faktoren das Ergebnis, wie zum Beispiel andere Athleten, das Wetter oder die Streckentopografie.
Leistungsziele sind relativ leicht festzulegen. Ein Beispiel könnte sein, „Immer mein Bestes in einem Wettkampf zu geben“. Das ist natürlich zu allgemein (siehe SMART), aber für den Marathonlauf im Triathlon könnte das bedeuten, dass ich mich in den ersten 15 Kilometern zurückhalte. Das Gefühl sollte ein bestimmtes sein, das Tempo sollte innerhalb eines bestimmten Limits liegen, und der Puls sollte ebenfalls innerhalb eines Limits sein. Für die meisten Athleten bedeutet „ihr Bestes zu geben“ in diesem Abschnitt Zurückhaltung. Wenn ich hier zu viel Gas gebe, kann ich später nicht richtig durchhalten und weitermachen. Danach könnten 10-15 Kilometer kommen, die sich anstrengend anfühlen dürfen. Wahrscheinlich sollten Puls und Tempo noch innerhalb der gleichen Limits liegen. Die letzten 10 Kilometer sind dann „volle Power“ von der Gefühlsperspektive, und hier sollten idealerweise Tempo und Puls immer noch mehr oder weniger gleich sein.
Hier wird sozusagen der Zins eingeholt, den du in den ersten 15 Kilometern gezahlt hast. An der Ziellinie verbrennst du dann deine letzten verfügbaren Kalorien. So die Theorie.
Das war ein kleines Beispiel, wie ein einzelnes Leistungsziel aussehen kann. Natürlich wird auch das Schwimmen und Radfahren geplant, was noch komplizierter sein kann, da das Renngeschehen hier mehr Einfluss hat.
Aber nicht nur für die Wettkämpfe brauchst du Leistungsziele, sondern auch für das tägliche Training sind Leistungsziele von unschätzbarem Wert. Wenn „hart“ gefordert wird, sollte das Training auch „hart“ sein, sonst lernst du nichts anderes als „nachzugeben“, wenn es schwer wird. Lockeren Einheiten sollten natürlich auch locker sein, selbst wenn es verlockend ist, bei Steigungen beim Radfahren zu zeigen, wie gut du gerade in Form bist.
Erfolgsziele sind noch schwerer zu definieren! Natürlich möchten fast alle jungen Kader-Triathleten Olympiasieger oder Ironman-Gewinner werden, und das ist auch gut so. Erfolgsziele sind unsere Motivation, an die wir glauben und von denen wir träumen sollen.
Erfolgsziele sollten am besten nur etwas höher gesteckt sein als das, was wir realistisch erreichen können, und das ist das Schwierige daran. Wie viel Entwicklungspotenzial steckt noch in dir? Hier können wir Testergebnisse und metabolische Profile studieren und vergleichen, Trainingsjahre berechnen und den Trainingsinhalt berücksichtigen. Trotzdem ist es schwierig, Prognosen über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr zu treffen. Trotzdem sollte idealerweise ein noch längerfristiges Erfolgsziel erst nach 3 oder 5 Jahren in Betracht gezogen werden, schließlich entwickelt sich die Ausdauer langsam, aber stetig.
Als Triathlon-Trainer finde ich es sehr spannend, diese Diskussion mit den Athleten zu führen, und sie ist nie gleich. Fast immer sind beide Ziele mit Bedingungen verknüpft (zeitlich, finanziell, gesundheitlich, familiär), und um diesen Knoten zu lösen, ist ein guter Trainer fast unersetzlich.
Ein guter Trainer hat jedoch auch eine Schwäche. Er sollte immer daran glauben, dass der Athlet ein bisschen besser ist, als er tatsächlich ist, ohne ihn zu überfordern, und das kann sehr schwierig sein. Das ist auch ein Grund, warum Top-Athleten oft verletzt sind, da diese Grenze fast unmöglich im Voraus zu definieren ist. Aber jeder muss nicht unbedingt nach 100% streben. Wenn der Trainer und/oder der Athlet wissen, dass auch knapp darunter ausreicht, sollte es kein Problem sein!